Weihnachten, ein Fest des Friedens und der Freude. So sehen es die Tradition, Film und Werbung vor, und so wünschen wir es uns. Die Realität ist in den meisten Fällen leider weniger idyllisch.
Die Erwartungen, die wir in die Festtage setzen, sind oft dermassen hoch, dass die Enttäuschung fast vorprogrammiert ist. Die tiefe Sehnsucht des Menschen nach Geborgenheit und Harmonie möchte zu Weihnachten voll auf ihre Rechnung kommen. Alles muss perfekt sein, von den Geschenken, über die Stimmung, bis hin zum Essen: Kein Wölkchen darf das Fest trüben. Was wir dabei gerne übersehen: Im Versuch, perfekte Weihnachten zu verbringen, überfordern wir uns selbst und die anderen.
Der Stress beginnt schon in den Wochen davor: Der Advent sollte eigentlich eine ruhige und besinnliche Zeit sein, de facto gestaltet er sich aber überaus hektisch: Schul-, Vereins- und Firmenfeiern wechseln einander ab, und der berufliche Jahresendspurt sorgt für eine ordentliche Portion Druck und Spannung.
Ein reich bestückter Keksteller, eine blitzeblank geputzte Wohnung, kunstvoll verpackte Geschenke, der Christbaum mindestens so schön wie im Vorjahr und ein aufwendiges Menu, das sind die
klassischen Eigenvorgaben der Mütter.
Alles ist perfekt, und am 24. liegen die Nerven blank. Ein ungeschicktes Wort oder ein „falsches“ Geschenk reichen aus, und der sorgfältig geplante Weihnachtsfrieden ist im Eiltempo dahin.
Eine besondere Herausforderung stellt die oft unfreiwillige Nähe der Familienmitglieder dar. Fehlende Freiräume und Ausweichmöglichkeiten führen zu gereizten Reaktionen und dazu, dass ungelöste Konflikte wieder hochkommen. Erwachsene Menschen, die sonst mit beiden Beinen fest im Leben stehen, fühlen sich von ihren Eltern bevormundet und schlüpfen flugs wieder in ihre Kinderrolle und die damit verbundenen Verhaltensmuster.
Auch der finanzielle Druck, den Weihnachten für einige bedeutet, ist nicht zu unterschätzen. Einerseits möchte man gerne Freude bereiten, andererseits bedeuten grosszügige Geschenke oft auch eine Belastung für das mitunter knappe Budget. Umso grösser sind die Enttäuschung und der Missmut, wenn das Geschenk dann nicht ausreichend gewürdigt wird.
Was können wir tun, um Weihnachten tatsächlich harmonisch zu gestalten:
In erster Linie sollten wir unsere Erwartungshaltung runterschrauben. Wer sich bei den Vorbereitungen realistische Ziele setzt und auf Perfektionismus verzichtet, leistet einen wertvollen Beitrag zu einem gelungenen Fest. Zum Beispiel ist es nicht wesentlich, ob die Fenster im Kinderzimmer geputzt sind, und das Fest wird auch dann ein Erfolg, wenn noch zwei Garnituren Bettwäsche im Bügelkorb liegen. Auch zehn selbstgebackene Kekssorten sind nicht unbedingt notwendig, und ein festliches Menu setzt nicht voraus, dass man täglich fünf Stunden in der Küche verbringt.
Es hat sich bewährt, Verwandte, die einander nicht „riechen“ können, an unterschiedlichen Tagen einzuladen. Reizthemen sollten bewusst vermieden werden. Konflikte gehören nicht an den Gabentisch, diskutieren Sie diese bereits im Vorfeld oder vertagen Sie sie konsequent auf einen späteren Zeitpunkt. Auch ein Spaziergang an der frischen Luft kann Wunder wirken: Die Bewegung löst Spannungen auf, festgefahrene Positionen relativieren sich und generell hat die Natur einen positiven Einfluss auf das Gemüt.
Planen Sie in der Adventzeit (und auch sonst) bewusst ein paar Stunden Auszeit ein, die Sie gemeinsam mit Ihren Lieben verbringen: Ein Adventkonzert vermittelt vielen Ruhe und Besinnlichkeit. Ein Besuch am Christkindlmarkt, das gemütliche Beisammensitzen bei Tee und Keksen, mit den Kindern basteln oder musizieren: Jede Familie hat ihre eigene Art, gemeinsame Momente zu geniessen. Dadurch sind die Erwartungen nicht mehr ausschliesslich auf den Heiligen Abend konzentriert, und die Atmosphäre ist automatisch lockerer und entspannter.
Bei den Vorbereitungen empfiehlt es sich, rechtzeitig die Zuständigkeiten zu verteilen. So können peinliche Last-Minute-Geschenke und unnötiger Stress vermieden werden. Jugendliche Kinder können in die Gestaltung des Festes einbezogen werden. Freilich sollte sich ihre Aufgabe nicht auf Zimmer aufräumen und Müll runtertragen beschränken. Binden Sie sie zum Beispiel aktiv ins Dekorieren der Räume ein. Dadurch kommt bei den Kindern Weihnachtsstimmung auf, und Sie können wieder einen Punkt auf Ihrer Agenda abhaken.
Bei den Geschenken beschränken Sie sich am besten auf das, was von Herzen kommt und Sie sich auch wirklich leisten können. Der Sinn von Weihnachten kann unmöglich in finanziellen Grosstaten liegen. Im Gegenteil, oft sind es die kleinen, aber ehrlichen Aufmerksamkeiten, die uns Freude bereiten und glücklich machen.
Kommunizieren Sie miteinander, klären Sie Erwartungshaltungen im Vorfeld ab und zeigen Sie auch mal Mut zum Kompromiss. Vielleicht liegt das Weihnachtfest auf der Perfektionsskala dann nicht ganz oben, dafür bleibt es allen Beteiligten gut in Erinnerung.
Erschienen in: Weihnachtsmagazin Liechtensteiner Volksblatt, 12/2015; Rheinzeitung 16.12.2015